(to suck [Am.E.]: ätzend sein [ugs.], Scheiße sein [vulg..], total mies sein [ugs.], zum Kotzen sein [ugs.])
Zum Inhalt
Es war einmal ein Land, das so klein war, dass nur das Schloss des Königs darauf Platz hatte. Und darum gab es auch nur ganz wenige Menschen, die in diesem Land wohnten; nämlich der König selbst und seine vier Untertanen. Der König sah es stets als seine oberste Aufgabe an, für das Gute zu kämpfen. Doch seine Untertanen, so fand er, lebten einfach nur in den Tag hinein. Da schickte der König sie in alle vier Himmelsrichtungen aus, auf dass sie lernen mögen, das Böse zu bekämpfen und so dem Guten zum Siege zu verhelfen.
Ob der König sich nun einsam fühlt? Glaubt er, selbstlos gehandelt zu haben? Dies alles bleibt in unserem selbst geschriebenen Märchen offen. Uns interessiert vielmehr, was mit seinen Untertanen geschieht, die sich nun in der Fremde bewähren müssen. Wir wollen von ihren Ängsten zu versagen erzählen und von ihren Schwierigkeiten, für sich überhaupt einen Weg zu finden. Wir wollen ihrem Verlangen nach einem eindeutigen Richtig und Falsch eine Stimme geben und ihrer Sehnsucht nach einer Hand, an der sich durch’s Leben gehen lässt…
„Hans im Glück“ hatte wirklich Glück. Vielleicht machte er nicht immer den besten Deal, aber er hatte stets die Kraft sich zu entscheiden. Doch wer kann das schon immer? Je tiefer unsere Untertanen in die „weite Welt“ vordringen, desto mehr müssen sie erfahren, wie schwer es ist, sich in ihr zurechtzufinden, was es heißt, erwachsen und selbständig zu sein. "Hänschen klein“ konnte einfach wieder zu seiner Mutter zurückehren. Für die vier Untertanen des Königs gibt es kein Zurück. Sie sind dazu verdammt, sich in der „weiten Welt“ ein eigenes Zuhause zu schaffen. Kurzum: weite welt sucks!
Zur Inszenierung:
Was sich auf der Bildebene als Märchen präsentiert, ist auf der Sachebene die Herausforderung, der sich Heranwachsende seit jeher gegenüber sehen: um die Kindheit (hier bildlich: das Schloss) hinter sich lassen zu können, müssen Jugendliche in allen Kulturen wie auch immer geartete Initiationsriten durchlaufen, die ihnen die Welt der Erwachsenen (hier: der König) auferlegt.
In unserem Falle sieht der Initiationsritus vor, dass jedes der Kinder für sich in die weite Welt hinausziehen, das Böse aufspüren, es bekämpfen und dem Guten zum Siege verhelfen soll, bevor es – gereift – nach Hause zurückkehren darf.
Dieser moralischen Entwicklungsaufgabe stehen Kinder und Jugendliche besonders in der heutigen Zeit oft hilflos gegenüber. Die aktuelle Shell-Studie aus dem Jahre 2006 zeigt deutlich die Orientierungsschwierigkeiten, die Jugendliche heutzutage bei der Bewältigung dieser Entwicklungsaufgabe haben. Jugendliche schreiben der Familie (hier: dem König und seinem Schloss) hohe Bedeutung zu und wollen möglichst lange in den Strukturen ihrer Herkunftsfamilie bleiben. Dies hat seine Ursachen nicht zuletzt darin, dass die umgebende Welt wenig Orientierungshilfen bietet. Die komplizierten wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse und eine pluralistische, sich in vielen Hinsichten als sogar wertneutral präsentierende Gesellschaft machen die eigene Lebenswelt für viele Jugendliche unübersichtlich und erschweren ihnen eine Positionierung im eigenen Leben. Das vielfach beklagte Phänomen der „Politikverdrossenheit“ und das damit einhergehende Eingeständnis, dass politisches Engagement ohnehin „nichts bringe“, kann vor diesem Hintergrund als eine Folgewirkung der Sehnsucht nach Klarheit, nach Wissen um Richtig und Falsch erstanden werden.
Doch gerade dieses Engagement fordert nicht nur der König in unserem Märchen von seinen Untertanen. Auch unsere Gesellschaft beklagt das mangelnde politische Bewusstsein vieler Jugendlicher und drängt auf Veränderung. Doch weder die Untertanen im Märchen noch die Jugendlichen in der Realität fühlen sich sonderlich bei der Erfüllung ihrer Aufgabe unterstützt. Im Gegenteil. Im Märchen schlägt ihnen Desinteresse und sogar zynisch zur Schau gestelltes Gelangweilt-Sein entgegen, ein Sinnbild für unsere Gesellschaft, die z. B. beim Kopenhagener Klimagipfel demonstrierte, wie eigensüchtige Interessen über Moralität und Zukunftschancen der Menschheit triumphieren können und dies auch noch als „Teilerfolg“ zu verkaufen trachten.
Angesichts der Probleme in der Welt erscheinen dann selbst Teilerfolge wie ‚ein Tropfen auf dem heißen Stein'.
Was Jugendlichen bleibt ist angesichts einer unübersichtlichen, als bedrohlich empfundenen Welt der Hedonismus, das Konsumieren als Ersatzhandlung und/oder der Rückzug ins Private (cocooning).
Die Entdeckung der eigenen Sexualität und das Eingehen von festen Partnerschaften sorgt unter den Jugendlichen für größere Zuversichtlichkeit, was ihre persönliche Zukunft anbelangt. Doch ist es fraglich, ob ein einfaches Kopieren der elterlichen Beziehungs- und Familienstrukturen zu persönlicher Zufriedenheit und zu tatsächlichem Glücksempfinden führt. Unser selbst geschriebenes Märchen möchte vielmehr die Frage aufwerfen, ob nicht eine von Optimismus genährte Offenheit dem Leben gegenüber mehr bringt als scheinbar Bewährtes immer wieder neu aufzulegen. Vielleicht, so wollen wir fragen, gilt es, Offenheit neuen Wegen gegenüber zu zeigen und weniger das Ziel als vielmehr das Erleben des Weges als lebenswert zu empfinden.
Unsere Produktion setzt an vier Stellen Videos ein, deren Funktion darin besteht, wie in einem Botenbericht die Geschichte weiterzuerzählen oder die Gedankenwelt der Untertanen zu präsentieren. Der Einsatz von Videos ist für uns nicht nur eine Möglichkeit, das Märchen mit anderen Mitteln weiterzuerzählen.
Die Videos sollen vielmehr als Mittel der Brechungauf die reale Lebenswelt der Jugendlichen verweisen.
Wir danken in diesem Zusammenhang Herrn Florian Wischnewsky ganz herzlich für sein großes Engagement und sein technisches Know-how. Ohne ihn wäre diese Inszenierung nie das geworden, was sie ist.
Unsere Eigenproduktion "weite welt sucks. Ein Märchen" wurde eingeladen…
…zur Theaterwoche Korbach 2010,
…zum 3. "Maulhelden"-Festival, dem Landes-Schülertheater-Treffen NRW, Düsseldorf
und zum "2. Europäischen Friedenstheaterfestival – Jugend für Europa – BINAMIRA",Aachen.
"weite welt sucks" war in der engeren Auswahl zum 31. Theatertreffen der Jugend in Berlin 2010
Außerhalb unserer Schule führten wir unser Stück an folgenden Spielorten auf:
…im JUTA im Rahmen der Düsseldorfer Schultheatertage am FFT
…in der COENS-Galerie, Grevenbroich
…im BIS-Zentrum für offene Kulturarbeit, Mönchengladbach
…am Hugo-Junkers-Gymnasium, Mönchengladbach
"weite welt sucks" wurde durch CITY VISION, Mönchengladbach einer breiteren Öffentlichkeit im Fernsehen vorgestellt.
Das WDR-Fernsehen berichtete im Mai 2010 über poco*mania im Rahmen des "Maulhelden"-Festivals.